Wann macht es Sinn, uns
einzuschalten?
Joerg Schulze-Clewing
Repräsentation vor Ort in den USA
Oft ist es sinnvoll, vor Ort ein Ingenieurbüro zu haben, das mit lokalen Kunden, Lieferanten, Behörden oder Zulassungsstellen kommunizieren kann. Dafür gibt es viele Gründe. Die Zeitverschiebung allein ist einer. Zur Ostküste sind es nur sechs Stunden, doch in den Westen handelt es sich bereits um neun Stunden. Zuviel, um das regelmässig an einem normalen Arbeitstag von Europa aus zu bewältigen.
Die Sprache ist eine andere Hürde. Schul-Englisch hilft kaum weiter, besonders nicht bei kniffligen technischen Sachverhalten. Es muss jemand sein, der zweisprachig arbeitet. Selbst in der Elektronik wird viel Umgangssprache benutzt, mit der man einfach vertraut sein muss. In den USA ist es auch nicht ungewöhnlich, am anderen Ende der Leitung jemanden mit einem extrem starken Akzent zu finden. Zum Beispiel jemanden, der im Privatleben fast nur vietnamesisch oder kantonesisch spricht. Wir arbeiten ständig mit Einwanderern aus allen möglichen Ländern zusammen, sodass diese Situation kein Problem darstellt. Für jemanden, der nicht über Jahre in den USA gelebt hat, kann hier eine effiziente Kommunikation unmöglich werden.
Sehr oft kommt es vor, dass ein Anrufer aus Europa im "telephone run-around" bei einer Behörde schlicht verzweifelt. Es dauert ewig, bis die zuständigen Mitarbeiter gefunden sind und dann muss geschickt gefragt werden, um die gewünschten Informationen zu bekommen. Das gilt auch, wenn technisch etwas "in die Hose" ging und nun eine Lösung gefunden werden muss. Dies erfordert nicht nur Sprachgewandtheit, auch das Problem muss genau begriffen worden sein. So etwas lässt sich oft nicht nebenbei über einen firmeneigenen Vertriebskanal in den USA abwickeln.
Problemlösung bei Ihren nordamerikanischen Kunden
Ein Mitarbeiter kann aus Europa anreisen, doch das ist oft nicht die optimale Lösung. Dieser Mitarbeiter fehlt in der Firma für mindestens eine Woche, ist 10 bis 20 Stunden unterwegs und mit amerikanischem Englisch hapert es vielleicht auch ein wenig. Wenn er in Amerika ankommt, wacht er oder sie mitten in der Nacht auf und ist am Morgen beim Kunden ziemlich gerädert. Kommt der Mitarbeiter zurück, dann macht sich erst recht bleierne Müdigkeit bemerkbar, denn 6-9 Stunden Zeitverschiebung nach Osten bleiben nicht "in den Kleidern" hängen.
Oft verfügen nur leitende Angestellte über verhandlungssichere Englischkenntnisse. Doch was kostet die Reise solcher Mitarbeiter die Firma wirklich, wenn sie ein bis zwei Wochen im Betrieb fehlen?
Wenn intensive regelmässige Betreuung eines Kunden notwendig wird, ist es oft angebracht, dass stets derselbe Ingenieur anreist. Man kennt sich, man versteht sich. Das kann unangenehme Konsequenzen haben, wenn der Ingenieur kein Landesbewohner ist. Ein L-Visum hilft in der Regel nur, wenn es eine eingetragene US Niederlassung gibt. Das Risiko ist, dass mehrfache Einreisen ohne Visum eines Tages dazu führen, dass Ihr Mitarbeiter seitens der Einwanderungsbehörde für mehrere Jahre von jeglicher weiteren Einreise gesperrt wird.
All dies kann man mit einem Ingenieur des Vertrauens in den USA elegant lösen. Wir leben hier und sind uneingeschränkt arbeitsberechtigt. Wir können Kunden schnell erreichen, die Zeitverschiebung von bis zu 3 Stunden ist kein Problem. Wir kennen die Gepflogenheiten des Landes und so kommt man beim Kunden rasch "zur Sache". Harte ausländische Akzente des Kundenpersonals, die einen deutschen Mitarbeiter verzweifeln lassen, stellen kein Hindernis dar. Das gehört hier zum beruflichen wie zum privaten Alltag.
Oft wird der Stundensatz des Beraters mit dem eines Mitarbeiters verglichen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass beim Berater keinerlei Lohnnebenkosten, Raumkosten, Laborausstattung und ähnliche Kosten anfallen. Die Reisekosten sind ebenfalls geringer. Vor allem aber spart es Zeit. Nichts ist unangenehmer als ein Kunde, bei dem die Anlage nicht arbeitet und dem jede Stunde Verzögerung weh tut. Hier geht es oft um den guten Ruf.
Schwierige analoge Schaltungsentwicklung
Man kann nicht alle Fachbereiche mit Personal abdecken. Es wäre schlicht zu teuer. Wird dennoch der Alleingang versucht, können später Probleme beim Kunden auftreten oder die Produktionskosten laufen aus dem Ruder. Ich habe Leiterplatten gesehen, die Präzisionsschaltkreise für über $1000 enthielten und dennoch nicht zuverlässig funktionierten. Das erfordert oft eine Neuentwicklung von Beginn an und die vielen Arbeitsstunden, die in das erste Design gingen, müssen de facto abgeschrieben werden.
Andere Entwicklungsprojekte sind nur teilweise diffizil. Dies könnten hochfrequente Schaltungsteile sein, Bereiche mit extremer Anforderung an die Präzision oder etwa ein Zubehörmodul zum Einmalgebrauch, bei dessen Entwicklung jeder Cent umgedreht werden muss. In diesem Fall kann der Berater die schwierigsten Bereiche übernehmen und der Rest wird von der internen Gruppe erledigt. Diese Strategie war in der Vergangenheit sehr erfolgreich. Hier ergibt sich für die Ingenieure des Kunden auch die Gelegenheit, vom Berater zu lernen und beim nächsten Mal in der Lage zu sein, diese Aufgaben mit zu übernehmen.
Digitale Schaltungen
Berater in analoger Schaltungstechnik sind keine Spezialisten in programmierbarer Logik, was sollen sie also in diesem Metier ausrichten? Eine Menge. Sobald Taktfrequenzen in den Bereich über 100 MHz stossen und Flankensteilheiten im Pikosekundenbereich liegen, wird die Situation ganz schnell wieder analog. Ein kleiner Patzer bei der Taktverteilung, Phasenrauschen, Übersprechen, eine Leiterbahn wird zur ungewollten Antenne, all dies kann den Entwickler digitaler Schaltungen auf die Palme treiben. Die Simulationsergebnisse fielen genau wie erwartet aus und trotzdem verhält sich die Schaltung unerklärlich.
Berater im Analogbereich benutzen Oszilloskope, Analysatoren und weitere Messgeräte ganz anders. Sie suchen nach den klitzekleinen Anzeichen von Problemen. Doppelzugriffe auf einen Daten-Bus, Reflexionen aufgrund von Fehlanpassung, Transienten, Fehlpulse oder kurze Datenbruchstücke, die gar nicht da sein sollten. Wenn es ganz schlimm kommt, ziehen Berater im Analogbereich Techniken aus dem Hut, die andere eher der Wünschelrute zuschreiben. Ich selbst habe oft mit einem HF Empfänger, Kopfhörer und einigen EMV Nahfeldkopplern Problemen auf digitalen Leiterplatten nachgesetzt. Meist fand sich der Fehler in wenigen Stunden, wo die Digitalspezialisten schon tagelang gesucht hatten. In anderen Faellen fand sich auf diese Weise nach Jahren der Grund fuer einen staendig wiederauftretenden Bauteildefekt.
Wie sieht es mit dem kompletten Gerät aus?
Hier geht es meist um die Optimierung des EMV Verhaltens vor einer Prüfung. Es dreht sich um Massearchitekturen, nicht ganz optimale Kabelführung, miteinander inkompatible Legierungen oder Netzversorgungsmodule, die nicht so ganz das halten, was deren Hersteller versprochen hatte. Im Idealfall hätte man hier den Berater gleich von Beginn an dabei.
Die erstaunlichsten Resultate sind die, die keiner erwartet hatte. Nach Abschluss der EMV Vorprüfungsarbeit wird ein Gerät auf Herz und Nieren untersucht, ob auch alles noch so läuft wie es soll. Das Erstaunen ist gross, wenn dabei manches altbekannte Problem einfach nicht mehr da ist. Jeder dachte, es müsse ein Software Bug sein. Wochenlang wurde gesucht und nun hat es sich als ein interner EMV Effekt herausgestellt. Das geschieht bei fast jedem Auftrag, wo es um Störungssuche geht.
Zulassungsverfahren
Viele Ingenieure hassen dieses Thema, bestenfalls sehen sie es als notwendiges Übel an. Berater in analoger Schaltungstechnik ist das in Fleisch und Blut übergegangen, sie kennen die einschlägigen Kniffe. Legale Kniffe natürlich. Ein häufiges Beispiel aus der Vergangenheit ist die Taktmodulation. Eine Gruppe hat ihr bestes getan und fällt bei EMV immer wieder durch. Selbst das Gehäuse ist nahezu wasserdicht, aber einige Taktfrequenzen aus dem Prozessor bleiben hartnäckig ein paar dB zu hoch. Man kann schliesslich das Display nicht mit Folie zukleben. Wenn wir über Taktmodulation im Stil von Spread Spectrum reden, runzeln die Entwicklungsingenieure des Kunden die Stirn. Bis dann der Analyzer den gewünschten Abfall von 5 bis 10 dB dokumentiert und nun die Prüfung bestanden wird
Sicherheit ist eine ähnliche Situation. Jeder gute Ingenieur weiss, wie ein Produkt normgerecht und sicher entwickelt wird. Wenn aber sehr ungewöhliche Anforderungen gestellt werden, gerät die Gruppe schnell auf Eis. Wie wappnet man denn ein Interface gegen Entladungen eines Defibrillators? Ein Schuss von 5000V ist ja nicht von Pappe. Bei Medizingeräten wird darüberhinaus oft verlangt, dass das Gerät nach wenigen Sekunden wieder ganz normal arbeitet. Das ist alles möglich, aber auf der Universität lernt man solche Dinge nicht.
Nicht zuletzt muss eine Dokumentation erstellt werden, die von einem Amerikaner leicht verstanden werden kann, sich aber präzise an deutschsprachige Vorgaben hält. Oder auch umgekehrt. Vertragsenglisch, Dokumentationsenglisch, Behoerdenenglisch, da geht es vom Stil Shakespeare's bis High Tech und man sollte damit vertraut sein.
Produktionsprobleme
Ein Berater, der mit Massenproduktion vertraut ist, betrachtet die Dinge aus einer Sicht einer knallharten Geschäftsperson. Dafür muss man zuerst ein exzellenter Zuhörer sein. Oft stellt sich heraus, dass die Kommunikation zwischen Abteilungen wie F&E auf der einen Seite und Produktion auf der anderen nicht gerade die beste ist. Aussenstehende können oft viel mehr entdecken als Betriebsangehörige. Ein klassischer Fall aus meiner Vergangenheit: Eine sehr grosse SMT Leiterplatte fiel zu beinahe 100% nach dem Reflow Lötprozess durch den Test. Man war verzweifelt. Es stellte sich heraus, dass mechanische Verspannungen der Grund waren, aber das wurde nicht zwischen den Abteilungen besprochen. Ein wenig Holz vom nächsten Baumarkt für einen Proberahmen und das Problem war vom Tisch. Mein Beraterhonorar für diese Aktion war geringer als die Kosten einer einzelnen Leiterplatte.
Ein anderer Grund für den häufigen Erfolg von Beratern ist, dass sie eine Schatzkiste an Erfahrung aus anderen Situationen mitbringen. Berater können Lösungen vorschlagen, die sie aus völlig fachfremden Bereichen kennen. Häufig werde ich gefragt, ob es denn tatsächlich eine solche Maschine gebe. Ja, es gibt sie, nur war sie nie für die Verwendung in einer Elektronikproduktion gedacht.
Kostenreduzierung
Erfahrene Berater, insbesondere solche für analoge Schaltungstechnik, sind meist von Natur aus "Pfennigfuchser". Sie haben Geräte unter knallharten Kostenvorgaben entwickelt, jeden Transistor dreimal umgedreht, ob er nicht eingespart werden kann. Die Fähigkeit, auf dem Transistorniveau zu entwerfen, ist allerdings absolute Bedingung. Leider findet sich eine solche Wissenstiefe heute immer seltener. Nur wenn man jede mögliche Lösung gedanklich vom einzelnen Transistor bis zur hochintegrierten Schaltung durchdenken kann, kommt eine optimale Kostenstruktur dabei heraus.
Das Kostendenken geht weit über den Entwicklungsprozess hinaus. Es muss die ganze Zeit ein Euro-Rechner im Gehirn mitlaufen. Nur als Experiment, aber eines, dass behutsam vorgebracht werden muss: Fragen Sie einmal eine Gruppe von Ingenieuren während oder nach einem Design Review, was die präsentierte Lösung in der Produktion kosten wird. Es muss kein exakter Betrag sein, aber Ingenieure sollten stets den Kostenrahmen kennen und wissen, wo die "Schwergewichtler" in ihrem Design stecken.
Betriebsübernahmen und Schutzrechtserwerb
Wenn eine bedeutende Akquisition ins Auge gefasst wird, ist es immens wichtig zu wissen, was denn tatsächlich an Wert enthalten ist. Das gilt unabhängig davon, ob es die Übernahme eines ganzen Unternehmens oder der Erwerb von Rechten ist. Die eigenen Ingenieure sind manchmal etwas parteiisch, entweder tendieren sie zur euphorischen Seite oder empfinden Unsicherheit in Hinsicht auf die Zusammenführung mit einem fremden Team. Hier braucht man unabhängige Meinungen.
Es wird viel in rechtlichen Beistand investiert, aber wie steht es mit der technischen Seite? Hat dieses oder jenes Projekt tatsächlich eine Erfolgschance? Sind die verbliebenen Mitarbeiter kompetent? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige nach Auszahlung ihrer Aktienoptionen davonlaufen? Gibt es Zulassungsbeschränkungen, die einem Projekt ein unerwartetes und jähes Ende bereiten könnten? Hat hier oder da vielleicht jemand ein wenig übertrieben? Sind Bauelemente verwendet worden, die entweder schon obsolet sind oder es voraussichtlich bald werden? Ist die vorhandene Dokumentation ausreichend und verständlich genug, wenn eine neue Gruppe von Ingenieuren uebernehmen muesste?
Fast jeder amerikanische Manager ist in der Lage, aus dem Stegreif eine bühnenreife Power Point Präsentation hinzulegen, die Eindruck macht. An der Wall Street nennt man dies "Road Show" oder "Dog and Pony Show". Man muss oft zwischen den Zeilen lesen. Wenn auf eine Frage die Antwort "basically yes" kommt, klang da in der Stimme nicht ein wenig durch, dass diese Frage als unangenehm empfunden wurde? Gibt es hier etwas, wo unbedingt nachgehakt werden muss? Das kann nur heraushören, wer jahrelang im amerikanischen Geschäftsleben an Verhandlungen auf hoher Ebene teilgenommen hat. Im Idealfall sollte es jemand sein, der bei solchen Akquisitionen aktiv dabei war.
Wenn Sie den Eindruck haben, ein Berater in den USA könnte die Antwort sein, lassen Sie uns darüber diskutieren: